gastkommentar (pflicht kein vorbild mehr die sächische abitur- ordnung seit 2008 war vorbildlich, fast eine quadratur des kreises. sie verband kernfach- bindung zu deutsch und mathe- matik) und wahl beim leistungs- zweiten kursfach (für jedes der aufgabenfelder wurde – begabungen entsprechend – wenigstens ein fach angeboten). die belegpflicht für fremdsprachen und naturwissenschaf- ten verhinderte, dass an kleineren schulen kurse zu klein wurden; die einbringungspflicht stärkte alle fächer in ihrer wertschätzung. allen machten die profil- und fremdsprachenangebote, die auf diese oberstufe vorbe- reiten, klar, dass das ziel des sächsischen gymnasiums ein breit angelegtes abitur ist. als mangel dieser ordnung wurde von anfang an die pflichtstundenzahl gesehen, die aber mehr durch das g8 bedingt ist, sowie die mögliche benachteiligung der abiturienten im bundesländervergleich bei nume- rus-clausus-fächern. war dies lange unproblematisch – die notendurchschnitte in sachsen wurden nicht schlechter – ist das in den letzten jahren durch bundes- länder, die die noten ihrer landeskinder schönen, zum problem geworden (besonders auffällig z. b. in berlin und hamburg, aber auch in bayern). sachsen dringt seither zurecht auf vereinheitlichung der prüfungen. of- fenbar ist es hierbei im juni 2016 zu einem kuhhandel in der kmk gekommen: fortschritte bei den einheitlichen prüfungsaufgaben gibt es nur bei einheitlichen einbrin- gungsregelungen in ganz deutschland. wenn sich sach- sen für einen aspekt stark macht, wird es beim anderen schwierig, auch wenn sächsische lehrer sowohl bei der erstellung so anspruchsvoller wie machbarer prüfungs- aufgaben als auch in der konsequenten leistungsorien- tierung der fächer bisher vorbildlich waren. insofern ist dem smk zuzubilligen, dass die einbrin- gung geändert werden muss und man sinnvollerweise auf den bundesstandard, der bis 2008 auch in sachsen galt, zurückgeht. allerdings: die übertragung auf die aktuellen 11. und sogar 12. klassen, die im januar den schülern zugeworfen wurde, als diese auf den gedan- ken kamen, sie könnten sich benachteiligt fühlen, zeigt, wie leicht eine populistische geste in einem gar nicht mehr vorbildlichen informationschaos untergeht. wozu wird jedes jahr den lehrern eingeschärft, dass bei be- wertungsmaßstäben die rechtssicherheit vorrang hat? für den anderen aspekt der neuen oberstufe, die be- legordnung, gibt es aber offenkundig einen weiteren beweggrund. die regelmäßig 34 wochenstunden, die den schülern ab etwa der 9. klasse aus den stunden- tafeln vertraut sind, sollen in 11 und 12 auf 32 gesenkt werden, übrigens ohne auf zusätzliche aufgaben wie seminarfacharbeiten (z. b. in thüringen) zu verweisen. so klingt auch dies populistisch; doch sind ja noch gar nicht landtagswahlen. es ist einfach eine alte forde- rung, nicht der pädagogen, nicht einmal der schüler, sondern des sächsischen finanzministeriums, das seit jahren auf diesem weg die schüler-lehrer-relation dem niveau „anderer flächenstaaten“ wie niedersach- sen annähern möchte. dem vernehmen nach war als „entlastung“ der schüler in smk-internen diskussionen zeitweise eine kürzung der grundkurse in deutsch und mathematik von 4 auf 3 jws angedacht, was aber zu klar ein schülerunfreundlicher, nur die nachhilfe för- dernder akt gewesen wäre. so wurden mangelfächer bei der lehrereinstellung, die „schwierigeren“ fächer, und damit die sächsische vari- ante der „allgemeinbildung“ als opfer gewählt. dass die abiturverordnung anders als die regelung von 2008 und das neue schulgesetz nicht öffentlich diskutiert wurde, dass sich, anders als ministerpräsident hase- loff in sachsen-anhalt, die landesregierung nicht offen positioniert hat, zeigt, dass man sich der sache noch nicht so sicher ist. warum brauchen sächsische abitu- rienten bislang drei naturwissenschaften? damit sie, wenn sie mint-fächer studieren (und damit langfris- tig unseren wohlstand sichern), als erstsemester nicht so viele lücken aufweisen. und sie brauchen für viele studienfächer zwei fremdsprachen (gern auch bei wirt- schaft und jura): die meisten geisteswissenschaftlichen studiengänge haben die alte forderung nach einem latinum (das man immerhin nachlernen konnte) ersetzt durch den nachweis der belegung von zwei fremdspra- chen bis zum abitur. hinter der bisherigen pflicht stehen somit kaum verzichtbare praktische anforderungen an sächsische abiturienten, ein klarer bildungsauftrag in unserem ebenso der industrie wie der kultur verpflich- teten freistaat. zudem gilt die argumentation von 2008 fort, dass auch kleinere schulen in ländlichen regionen das ganze spektrum abdecken und nicht aus nach- fragemangel bildungsangebote einschränken dürfen. die landflucht ist nicht gestoppt, der nächste schüler- rückgang demographisch absehbar. wenn andere bundesländer auf die pflicht zur 2. fremdsprache und zur 3. naturwissenschaft verzichten können, liegt das auch daran, dass das abwahlverhal- ten dort etwas ausgewogener ist, weniger regelungs- bedarf besteht. das ist historisch bedingt: in westlichen bundesländern sind traditionelle, „bürgerliche“ schu- len mit einer pflicht zur 3. fremdsprache noch recht zahlreich; an ihnen wird oberstufenunterricht in der 2./3. fremdsprache eher nachgefragt. solche gymna- sien wurden bei uns in den zeiten der ddr zurückge- drängt, die polytechnische bildung mit fakultativen, nur grundwissen vermittelnden zweitsprachen neben dem russischen wurde, außer an spezialschulen, standard. daher trifft in den neuen bundesländern, übrigens auch im sozialdemokratisch geprägten bremen, das abwahl- verhalten grundsätzlich eher die fremdsprachen und weniger die naturwissenschaften. die fremdsprachen sind natürlich allein schon deshalb „gefürchtet“, weil sie in der 5. bis 7. klasse das selektionskriterium zwi- schen mittelschule und gymnasium bzw. oberschule ausmachen. mehr oder weniger gedankenlos hat man also die 2. fremdsprache zur abwahl freigegeben; auch in der presse wurde dies als markantestes ergebnis der re- form herausgestellt, auch kritisiert. die benachteiligung durch die schüler setzt sich, vermutlich unbewusst, in den regeln fort: während der nawi-bereich 33 % der pflichtbelegstunden und einbringungen einbüßt, sind es bei den fremdsprachen 50 %. dass die englischlehrer endlich wieder dreistündige statt zweistündige grund- kurse haben, tröstet die anderen fremdsprachenlehrer nicht, die zum teil aus der oberstufe, für die sie in den letzten jahren attraktive stoffpläne erarbeitet haben, zu 100 % verschwinden. zwar werden französisch und spanisch an den meisten gymnasien genug schüler für einen grundkurs zusammenbringen, doch latein, rus- sisch und die im sprachlichen profil oder der 10. klasse begonnenen fremdsprachen werden bei uns oft nur ein- zügig geführt. sie würden in der regel in der oberstufe keine sprachgruppe mehr zusammenbringen, wenn es keinen externen grund zur zusätzlichen motivierung gibt – denkbar wäre ja eine belegpflicht von 2 kurshalb- jahren mit einer abwahlmöglichkeit nur für das abitur- jahr; die kurse könnten so erst einmal in klasse 11 zu- stande kommen und für sich, auch für die möglichkeit einer abiturprüfung, werben. – aber analog wird auch die einführung eines leistungskurses biologie an vielen schulen die chemie-leistungskurse verschwinden las- sen, an manchen sogar die in physik – ohne besondere pflege setzt sich das vermeintlich naheliegendere, be- quemere durch. fremdsprachen eröffnen welten, jede eine andere, aber alle entfalten ihre bildungswirkung besonders beim reiferen lerner. oberstufe und studium sind die lebensphase für das intensive sprachenlernen, das belegen auch immer häufigere auslandsjahre oder die nachfrage nach abibac- und ib-angeboten an unseren §4/§5-schulen (trotz überlastungsgefahr). der unter- richt wandelt sich auch; spanisch ist in der oberstufe kein „urlaubsfach“ mehr, sondern thematisiert für uns relevante probleme südeuropäischer und latein- amerikanischer gesellschaften. in latein begegnet man weltliteratur, interpretiert vorbildliche dichtung, betrachtet dazu passende kunstwerke, diskutiert über philosophie. eine kleinigkeit zum schluss. philosophie hat europa ja bei alten griechen wie platon und aristoteles gelernt. zu den theaterstücken des sophokles oder euripides, die bei uns in deutsch behandelt werden, gibt es ori- ginaltexte, die gerade durch ihre fremdheit eigene ge- danken der schüler beflügeln können. auch wer nicht in der bibel liest, wird, des griechischen kundig, in kate- gorien sicherer und durch historikerlektüre kritischer in der politik. seit der evangelischen bildungsreform durch melanchthon (luthers griechischlehrer), mehr noch seit wilhelm von humboldt galt die „humanistische“ griechische kultur besonders den deutschen als vorbild für europa und die welt, sie gab nicht zuletzt unserem gymnasium und den philologen den namen. 2017, im 500. jahr der reformation, versuchen spd-kultusmi- nister im saarland und mecklenburg-vorpommern den griechischunterricht auszubauen – sachsen streicht das fach mangels nachfrage aus der liste sächsischer ab- iturfächer. barbarei? nein, ökonomie. in sachsen ver- steht man heute goethes faust, der mit „im anfang war die tat“ übersetzt, nicht als vorbild für hybris, sondern für pragmatismus. dieter meyer, vorsitzender des lv sachsen im deutschen altphilologenverband, julius-ambrosius-hülße-gymnasium dresden inhaltsverzeichnis gastkommentar von dieter meyer einladung zum philologentag nach radebeul satzung des philologenverbandes sachsen e.v. jungphilologen im gespräch die flexi-rente ist sicher schüler des augustum-annen-gymnasiums übergeben spenden 25 jahre gymnasium in sachsen fachtagung „digitalisierung am gymnasium“ von der stand- auf die überholspur 2 3 4 – 6 7 – 8 8 9 9 – 10 11 – 12 12 – 13 2 1-2017 14 das digitale klassenzimmer 14 pressemitteilung des dphv zur digitalisierung 15 zweit-studium vor seiteneinstieg vorziehen 15 arbeit von frauen für frauen 16 tarifseminar des dphv integration von flüchtlingskindern ungenügend 17 projekt „faszination gießen“ – projektwoche gymnasium kirchberg 18 einkommen und vbl-beitrag 2016 19