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ProPhil_15_03

14 3-2015 An die Vorsitzenden der sächsischen Lehrergewerkschaften und Verbände Sehr geehrte Kollegin Kruse, sehr geehrter Kollege Weichelt, sehr geehrter Kollege Haubitz, das Kollegium des Werner-Heisenberg-Gymnasiums Leipzig hat sich in seiner Personalversammlung ausführlich und kritisch mit den derzeitigen Arbeitsbe- dingungen der Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen auseinander gesetzt. Dabei wurde auch ein erheblicher Vertrauensverlust gegenüber GEW, SLV und PVS deutlich, der niemandem gleichgültig sein sollte. Sicher wurde die einhellige Kritik verstärkt durch die absolut enttäuschenden Ergebnisse der letzten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder. Aber die Probleme liegen nach unserer Ansicht tiefer. 1) Probleme in Sachsen lösen Aufgrund der spezifischen Situation in Sachsen werden wir unsere Probleme auch hier und in direkten Verhandlungen mit dem sächsischen Arbeitgeber lö- sen müssen. Erinnert sei nur an die Nichtverbeamtung, die Verweigerung von Höhergruppierungsstellen, die – wie in anderen Bundesländern üblich – auch angestellten Lehrkräften einen Regelaufstieg ermöglichen würden, sowie jen- seits der vielen finanziellen Benachteiligungen die fehlende Bereitstellung von personellen und zeitlichen Ressourcen angesichts einer immer heterogeneren Schülerschaft mit vielen, erst in den letzten Jahren hinzugekommenen Heraus- forderungen. In diesem Zusammenhang hätten wir uns gewünscht, dass die sächsischen Ge- werkschaften und Verbände u.a. zu Aktionen für einen besseren sächsischen Doppelhaushalt aufgerufen hätten, statt ihre ganze Kraft auf eine bundesweite Tarifrunde zu konzentrieren, in der nach den Erfahrungen der Vergangenheit von vornherein absehbar war, dass die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer ihre Benachteiligungen nicht würden abbauen können. 2) Bündnisse hinterfragen Schon in den Tarifrunden 2009, 2011 und 2013 wurde deutlich, dass diejeni- gen, die bei Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst das Sagen haben, ande- re Prioritäten setzen als wir, ja objektiv andere Interessen haben. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl der Mitglieder bei dbb Tarifunion und VBE, aber auch bei der GEW Beamte sind. Und Verdi hat erst recht eigene Interessen. Hinzu kommt das im Zusammenhang mit der Ein- führung des TV-L von den Gewerkschaften ohne Not aufgegebene Bündnis mit den Angestellten bei Bund und Kommunen. Dadurch sind wir in Sachsen die größte homogene Gruppe von Landesangestellten bundesweit – ohne jedoch in Verhandlungsergebnissen das entsprechende Gewicht zu bekommen. Kein Wunder, dass sogar in unserem als kämpferisch bekannten Kollegium das böse Wort vom „Streikvieh“ kursiert. 3) Das Schönreden muss aufhören Man kann in Tarifverhandlungen verlieren. Wenn dies aber passiert, sollte man nicht hinterher die Ergebnisse als Sieg darstellen, Tatsachen verdrehen und die Kolleginnen und Kollegen damit für dumm verkaufen. Das kommt bei uns gar nicht gut an. Schon die Entgelterhöhung, isoliert betrachtet vielleicht noch akzeptabel, verdeutlicht im Vergleich zu anderen Branchen, vor allem aber an- gesichts des seit 2006 immer mehr gestiegenen Abstands zu den Angestellten des Bundes und der Kommunen, dass unsere Interessenvertreter offenbar nicht durchsetzungsfähig sind. Unglaublich jedoch, dass man uns die fragwürdige Neuverhandlung unserer Betriebsrente als Erfolg verkaufen will. Wie kann man eine mehr als Verdop- pelung unserer Beiträge auf über 200 Euro pro Monat als Erhalt des Status Quo bezeichnen? Diese ohnehin mit einer Reihe von Geburtsfehlern behaftete, die ostdeutschen Angestellten benachteiligende, mehrfach in ihren Spielregeln veränderte und intransparente Versorgungsleistung ist mittlerweile das Gegenteil von dem, was eine Betriebsrente eigentlich sein sollte, eine Zusatzversorgung des Ar- beitgebers in Anerkennung der langjährigen Arbeitsleistung seiner Beschäf- tigten zur Absicherung im Alter über das Mindestmaß der Altersrente hinaus. Das ist keine Betriebsrente, das ist eine Zwangsprivatrente! Wir fordern die Gewerkschaften und Verbände auf, nachzuverhandeln, die VBL so transparent zu machen, dass sie auch ein normaler Arbeitnehmer ohne mehrwöchige Fort- bildung verstehen kann, den Arbeitgeberbeitrag klar zu fixieren und Arbeit- nehmern, die die horrenden Beiträge nicht zahlen wollen, die Möglichkeit zu geben, den Ist-Stand einzufrieren und auszusteigen. 4) Gymnasial- und Oberschullehrer nicht ausgrenzen Seit einiger Zeit, besonders aber im Zusammenhang mit den diesjährigen Tarif- verhandlungen der Lehrer und Erzieher ist festzustellen, dass wir als Gymnasi- allehrer aus der Solidargemeinschaft ausgeschlossen werden. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch ein bedenkliches Signal an die Öffentlichkeit und an die verschiedenen von GEW und SLV vertretenen Gruppen. Abgesehen davon, dass wir, größtenteils in der E13 eingruppiert, mit Nettogehaltsunterschieden im vierstelligen Bereich am weitesten vom Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ entfernt sind, handelt man mit dem Ruf nach gleichen Gehältern für alle, von der frühkindlichen Erziehung bis zum Abitur, auch verantwortungslos. Die Lehrkräfte in der E13 empfinden eine solche Haltung als entwürdigend und als Missachtung ihrer Arbeitsleistung: In verschiedenen Studien (auch von Gewerkschaften in Auftrag gegeben) wurde auf eine 50 – 60 Stunden Woche, enormen Aufwand durch Korrekturen, Prüfungen etc., eine besonders hohe Verpflichtung zu Bildung und Fortbildung, den akademischen Anspruch des Unterrichts und vieles mehr hingewiesen. Erzieherinnen und Erzieher bzw. Grundschullehrerinnen und -lehrer wiederum werden zu Neiddebatten ermu- tigt, die mit der Realität nichts zu tun haben und falsche Hoffnungen wecken. Grundsätzlich sind wir natürlich für die Aufwertung aller Berufe, die mit der Arbeit am Menschen zu tun haben, egal ob Bildung, Erziehung oder Pflege. 5) Wer nur verteidigt, wird keine Tore erzielen Statt die oben genannten Benachteiligungen anzugehen, sind wir auf unseren letzten Personalversammlungen von den Vertretern der Gewerkschaften und Verbände eher auf das Verteidigen des Bestehenden eingestimmt worden. Er- halt des Stundendeputats von 26 Wochenstunden, Verteidigung der in Sach- sen ohnehin wenigen Abminderungstatbestände (z. B. für ältere Beschäftigte), Sicherung des (oft genug bereits aufgeweichten) Klassenteilers usw.. Diese „Errungenschaften“ sollten aber selbstverständlich sein. Der Arbeitgeber muss endlich dazu gezwungen werden, sich zur Schaffung besserer Bedingungen für gute Bildung in Sachsen zu bekennen. Die Herausforderungen sind nun einmal viel höher als vor 20 Jahren. Schon längst werden überlastete Kolleginnen und Kollegen in Größenordnungen in den Rettungsanker Teilzeit getrieben (mit entsprechenden Folgen für die Höhe der Rente) oder aber werden krank, sparen an der Unterrichtsvorbereitung, fahren ihr Engagement zurück. Auch das Thema Generationswechsel enthält weiterhin enormen Sprengstoff und ungelöste Probleme. Nicht nur die bald Ausscheidenden, auch die mittlere und jüngere Lehrergeneration braucht eine Perspektive, die aus mehr als nur Krisenmanagement und typisch sächsischen Benachteiligungen besteht. Leipzig, den 3.7.2015 Kollegium und Personalrat des Werner-Heisenberg-Gymnasiums Leipzig Zuschriften zum Tarifabschluss Nach dem Tarifabschluss vom 29.03.2015 für die Beschäftigten der Länder erreichte uns ein Brief des Kollegiums vom Werner-Heisenberg-Gymnasium Leipzig, den wir hier zusammen mit unserer Antwort abdrucken. 143-2015

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