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ProPhil_15_03

73-2015 Bedauerlicherweise wissen diese Eltern nicht, – dass es in Deutschland viele Wege zum Studium gibt; – dass Detschland trotz (oder wegen) eines gerin- gen Anteils an Studierberechtigten die besten Wirtschaftsdaten hat (wie A und CH); – dass Deutschland (wie A und CH) die niedrigs- ten Quoten an arbeitslosen Jugendlichen hat); – dass manch qualifizierter Facharbeiter bessere Verdienstmöglichkeiten hat als mancher Geis- tes- und Sozialwissenschaftler. 7. Dass die deutschen Länder sehr unter- schiedliche Regelungen beim Übertritt an weiterführende Schulen kennen, hat zur Folge – dass die Übertrittsquoten bundesweit sehr unterschiedlich sind; – dass die Länder bei Vergleichstests sehr unterschiedlich abschneiden. Für das Schuljahr 2012/13 weist das Statistische Bundesamt folgende Quoten beim Übertritt von der Grundschule an das Gymnasium aus (in Pro- zent; ohne Gymnasialzweig an integrierten Schul- formen): – Deutschland insgesamt 39,7 – Hamburg 52,9 – Sachsen-Anhalt 47,8 – Hessen 46,2 – Thüringen 44,8 – Baden-Württemberg 43,7 – Rheinland-Pfalz 43,3 – Niedersachsen 42,3 – Sachsen 41,9 – NRW 41,8 – Saarland 41,4 – Bayern 39,6 – Schleswig-Holstein 39,3 – Bremen 28,8 (Nicht wegen der sechsjährigen Grundschule verre- chenbar sind Berlin und Brandenburg sowie wegen der schulformübergreifenden Orientierungsstufe Mecklenburg-Vorpommern). Zwei Dinge fallen auf: – In der 8. Jahrgangsstufe ist der Anteil der Gym- nasiasten an der Gesamtschülerschaft im Durch- schnitt bereits sieben bis zehn Prozent geringer. Das heißt, ein nennenswerter Teil der (Anfangs-) Gymnasiasten hat das Gymnasium (wegen Überforderung) bereits wieder verlassen. – Es gibt keine positive Korrelation von Übertritts- quote und Ergebnissen bei Schulleistungstests; diese Korrelation ist eher negativ. 8. Vier Jahre Grundschule sind genug. Dann ist eine Entscheidung über die weitere Schullaufbahn sinnvoll. Was den Zeitpunkt der Differenzierung der Schull- aufbahnen betrifft, so sagen die Fakten und alle namhaften Studien eindeutig aus: Deutsche Län- der mit einer längeren gemeinsamen Schulzeit wie Berlin und Brandenburg mit einer sechsjähri- gen Grundschule gehören zu den innerdeutschen PISA-Verlierern. Der Lernrückstand von Grundschü- lern in Berlin nach der 6. Klasse gegenüber Schü- lern, die grundständige weiterführende Schulen besuchen konnten, beträgt bis zu einem Lernjahr. – Prof. Kurt Hellers (1996) Fazit lautet: „Eine Ver- längerung der vierjährigen Grundschule würde keine erkennbaren Vorteile, wohl aber mit Si- cherheit Nachteile für viele Grundschüler mit sich bringen … Bislang existieren keine Stu- dien, die höhere Trefferquoten nach einer fünf- oder sechsjährigen Grundschulzeit nachweisen konnten.“ – Prof. Peter Roeders (1997) Fazit heißt: „Die Leistungen nach sechsjähriger Grundschule lie- gen erheblich unter denen von Schülern, die den Wechsel aufs Gymnasium bereits nach der 4. Grundschulklasse vollzogen haben. Für Eng- lisch und Mathematik beträgt der Unterschied etwa eine Standardabweichung.“ Das ist mehr als ein Schuljahr. – Von ebensolcher Eindeutigkeit ist die Studie mit dem Titel „ELEMENT“ von Prof. Rainer Leh- mann von 2008. Danach werden Kinder durch eine sechsjährige Grundschule gebremst: Der Rückstand am Ende der 6. Grundschulklasse be- trägt im Lesen eineinhalb Jahre, in Mathematik und Englisch zwei Jahre (im Vergleich mit Schü- lern, die nach der 4. Klasse in eine weiterführen- de Schule gehen können). Vor allem leistungs- stärkere Schüler werden zu wenig gefördert. Selbst ein Ur-Vater des Gesamtschulgedankens in Deutschland, Heinrich Roth, schrieb 1968: „Die Denkbegabung und das Denkbedürfnis bricht im zehnten/elften Lebensjahr in so verschiedenen Stärken durch, dass die Unterschiede … das Auf- fälligste sind, was man in diesem Alter betrachten kann. Die Unterschiede werden in diesem Alter so krass, dass eine Trennung nach dem Grad der Be- gabung in irgendeiner Form unerlässlich ist ... Hier hilft keine romantisch-pädagogische Verbrämung! ... Im Interesse der Höchstausbildung aller Bega- bungsgrade kommen wir um die Trennung nach dem Grad der Begabung im zehnten/elften Lebens- jahr nicht herum." Grundsätzlich gilt auch: Die intellektuellen Fä- higkeiten eines Kindes sind ab der Grundschu- le recht stabil – damit auch Unterschiede im Leistungsvermögen der Kinder und damit auch Prognosen über die geeignete Schullaufbahn. Eine verlängerte Grundschule provoziert zusätzlich Probleme. Die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg würde damit in die schwierigere Phase der beginnenden Pubertät verlegt. Außer- dem provoziert eine verlängerte Grundschule bei dem Drittel der besonders leistungsfähigen Schüler Frustration durch Unterforderung und bei dem Drittel der langsameren Schüler Frustration durch Überforderung. Es stimmt auch nicht, dass der Übergang der Viert- klässer in die weiterführende Schule die Kinder unter extremen Druck setzt. Nein, die alltägli- che Erfahrung zeigt etwas anderes, und auch die Uni Dortmund hat 2007 festgestellt, dass sich 92 Prozent der Grundschüler auf den Übertritt freuen. 9. Die schulische Differenzierung nach der 4. Grundschulklasse ist nicht nur notwen- dig, sondern auch sinnvoll, denn es ist zu diesem Zeitpunkt auf der Grundlage der Schulleistungen und des Lernverhaltens eines Kindes eine zuverlässige Prognose möglich. Die Grundschullehrer haben einen genauen Blick für das Leistungsvermögen ihrer Schüler. Dieses Urteil kann gar nicht hoch genug einschätzt wer- den, zumal dieses Urteil das Ergebnis einer in der Regel zwei Jahre währenden Beobachtung ist und das Übertrittszeugnis damit kein isoliertes Ereignis darstellt. Darüber hinaus sind vor allem die Leistungen eines Grundschulkindes in den Fächern Deutsch und Mathematik aussagekräftig: – Viertklässler, die in diesen beiden Fächern gute Leistungen aufweisen, finden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Umwege unter den späteren Abiturienten wieder; – Viertklässler, die in Deutsch und Mathematik nur befriedigende oder schwächere Leistungen zeigen, finden auf direktem Weg eher selten den Weg zum Abitur. Das heißt nicht, dass sie nicht auch zu einer qualifizierten Berufsbildung oder zu einer Studierberechtigung gelangen können. Für sie bieten sich gleichwertige Bildungswege außerhalb des Gymnasiums an. 10. Eine Abschaffung der verbindlichen Übertrittsbedingungen bringt keinen Gewinn an sozialem Ausgleich. Im Ge- genteil! Im Mai 2010 hat das Bundesministerium für Bil- dung und Forschung (BMBF) eine 400 Seiten starke Studie mit dem Titel „Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule – Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten“ vorgelegt. Ein- bezogen in die Untersuchung waren bundesweit 4768 Schüler aus 227 Klassen sowie deren Eltern und Lehrer. Als ein zentrales Ergebnis wird fest- gestellt: Eine verbindliche Grundschulempfehlung reduziert zusammen mit einer objektivierenden Nachprüfung die soziale Ungleichheit beim Über- gang in die weiterführende Schule. Kaum anders fiel das Ergebnis einer Studie der Universität Mannheim (Autor: Jörg Dollmann) mit 708 Kölner Grundschülern Ende 2011 aus. Danach verstärkt die Abschaffung verbindlicher Übertrittsempfehlungen für Viertklässler soziale Unterschiede. —

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