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ProPhil_15_04

34-2015 Der Deutsche Philologenverband stellt sich der Herausforderung der Integration von Flüchtlingen Nur über eine qualifizierte Bildung kann die Integration der Flüchtlinge gelingen Mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in den letzten Wochen und Monaten nach Deutsch- land kamen, trafen auch schulpflichtige Kinder und Jugendliche in Deutschland ein. Unter ihnen sind zukünftige Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ihre Ausbildung am Gymnasium fortsetzen können oder bereits in ihren Herkunftsländern einen Bildungsgang besucht haben, der nach einem erfolgreichen Ab- schluss auch in unserem Land zur Aufnahme eines Studiums berechtigt. Es gilt, diesem Personenkreis den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen, ihm Unterstützung zu gewähren und ihm mit der Aus- sicht auf einen Abschluss mit Abitur entsprechen- de Zukunftsperspektiven in unserer Gesellschaft zu eröffnen. Unbedingt ist die Qualität der gymnasia- len Ausbildung in allen Bundesländern zu sichern. Die gymnasialen Bildungsziele müssen auch bei Beschulung der Kinder und Jugendlichen aus den Krisengebieten weiterhin uneingeschränkt gelten: eine vertiefte Allgemeinbildung, eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung (auf der Grundlage der christlichen Wertvorstellungen, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demo- kratischen und sozialen Freiheitsbewegungen) sowie der Erwerb der allgemeinen Studierfähigkeit durch wissenschaftspropädeutisches Arbeiten. Auch weiterhin haben uneingeschränkt Erziehung und Unterricht die Wertvorstellungen zu vermit- teln, die dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und den Landesverfassungen ent- sprechen, wie z. B. – die Grundrechte, religiöse und kulturelle Werte für sich und andere zu achten, – nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, Soli- darität und Toleranz sowie der Gleichberechti- gung der Geschlechter zu handeln, – die Zielsetzungen der Völkerverständigung und der gemeinsamen Zukunft Europas mitzugestal- ten sowie mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben, – bei der Erhaltung und dem Schutz der Umwelt mitzuwirken und – Konflikte vernunftgemäß zu lösen. Lehrkräfte können durch ehrenamtliche Lernbeglei- ter und Bildungspaten unterstützt werden, die sich dieser Personengruppe mit dem Ziel annehmen, die Werte unserer pluralistischen Demokratie schätzen zu lernen, und sie unterstützen, eine ihren Fähigkei- ten entsprechende Bildungslaufbahn einzuschlagen. Der Deutsche Philologenverband fordert alle Bun- desländer auf, für alle Schularten Studiengänge für einen islamischen Religionsunterricht auf der Basis einer ökumenischen Theologie einzurich- ten. So sollen Kindern mit muslimischem Hinter- grund religiöse Kenntnisse auf dem Boden unseres Grundgesetzes vermittelt werden, um ebenfalls zur Entwicklung von Toleranz und zur Integration der Kinder und Jugendlichen in unserer pluralistischen Gesellschaft beizutragen. Allen Flüchtlingen und Asylbewerbern, die der Schulpflicht unterliegen, ist unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft und ihres Geschlechts die Möglichkeit einzuräumen, an Ganztagesangeboten teilzunehmen, um eine rasche soziale Integration in den Alltag herbei- zuführen. Der Deutsche Philologenverband for- dert, dass für Flüchtlinge und Asylbewerber aus Krisenregionen mindestens bis zum vollendeten 23. Lebensjahr Bildungsangebote unterbreitet werden, die zu einem anerkannten Schulabschluss führen, und damit Chancen für eine berufliche oder akademische Ausbildung geschaffen werden. Viele Flüchtlinge konnten in den vergangenen Jahren aufgrund kriegerischer Handlungen oder fehlender Voraussetzungen in Flüchtlingslagern keinen regelmäßigen oder nur eingeschränkten Unterricht erhalten und haben somit unverschuldet ein geringeres Bildungsniveau als ihre vergleich- baren Altersgenossen in Deutschland. Nach dem gegenwärtigen Stand ist 2015 mit bis zu 1,5 Milli- onen Flüchtlingen, darunter bis zu 350.000 schul- pflichtigen Kindern und Jugendlichen, zu rechnen. Die erfolgreiche Integration in Deutschland stellt die Lehrkräfte wie auch die Mitschülerinnen und Mitschüler, die Schulträger und die Kultusministe- rien vor große Herausforderungen. Für das Gelingen einer erfolgreichen Inte- gration dieser Kinder und Jugendlichen am Gymnasium schlägt der Deutsche Philolo- genverband folgende Maßnahmen vor: – Für die Beschulung werden 20.000 bis 30.000 zusätzliche Lehrkräfte benötigt. Um die Kinder bestmöglich zu fördern und zu fordern, ist eine Verringerung der Klassen- und Kursfrequenzen in Lerngruppen mit aus den Krisenregionen ge- flüchteten Kindern und Jugendlichen dringend geboten. Zum Erlernen der deutschen Sprache und Sicherung der fachlichen Grundlagen für den Besuch eines Gymnasiums benötigen die Mädchen und Jungen intensive Betreuung: Es ist eine qualifizierte Sprachförderung im Hin- blick auf Deutsch als Zweit- und Bildungsspra- che erforderlich, um die Anforderungen in allen Fächern erfolgreich bewältigen zu können. – Um die Lehrer-Schüler-Relation in allen Bundes- ländern auf dem jetzigen Stand zu erhalten, be- darf es pro 12 zu integrierender Schulpflichtiger einer neuen Lehrervollzeitstelle. Die notwendi- gen Einstellungen müssen unbefristet vorge- nommen werden. Eine erfolgreiche Integration vollzieht sich über einen längeren Zeitraum und setzt Kontinuität voraus. – In den Gruppen, die auf den Besuch einer allge- mein bildenden Schule vorbereiten, ist der Bil- dungs- und Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler umgehend zu diagnostizieren, um auf dieser Grundlage ihre Integration an der ent- sprechenden Schulart zeitnah zu ermöglichen. – Die Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Be- fähigung „Deutsch als Zweitsprache“ gilt es deutlich auszubauen. Eine beträchtliche An- zahl der Kinder verfügt aufgrund der bisherigen schulischen Ausbildung über gute bis hervorra- gende Englischkenntnisse, sodass das Erlernen der deutschen Sprache in diesen Fällen über die englische Sprache möglich ist. Lehrerinnen und Lehrern mit den Fächern Deutsch und/oder Englisch, die bisher noch keine Anstellung ge- funden haben, sollen entsprechende Angebote unterbreitet werden. Für eine berufsbegleitende Qualifizierung sind den Lehrkräften entspre- chende Zeitressourcen zu gewähren. – Die Lehrkräfte, die viele Jahre im Auslands- schuldienst tätig waren, können auf Grund ihrer umfangreichen Erfahrungen in fremden Sprach- und Kulturräumen einen wesentlichen Beitrag zur schnellen Integration dieser Schülerinnen und Schüler leisten. – Lehrerinnen und Lehrer benötigen zur Umset- zung der anspruchsvollen Aufgabe der Integra- tion die Unterstützung durch die Landesschul- behörden, z. B. durch professionelle Begleitung, Beratung und Qualifizierung. – Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Sozial- arbeiter und Schulpsychologen muss den neuen Erfordernissen angepasst werden, da viele Kin- der und Jugendliche durch die Kriegshandlun- gen und die Flucht traumatisiert sind. – Auf die Schulträger wird die Aufgabe zukom- men, umgehend zusätzliche Unterrichts- und Fachräume bereitzustellen. Dabei ist auch an Arbeitsräume für diese Kinder und Jugendlichen zur Betreuung, für individuellen zusätzlichen Sprachunterricht in Deutsch, aber auch in ihrer Muttersprache und zur Anfertigung von Haus- aufgaben außerhalb der Erstaufnahmeeinrich- tungen zu denken. Der Deutsche Philologenverband fordert die Regierungen aller Bundesländer und Kommunen dazu auf, alles Notwendige zu unternehmen, um sowohl die erfolgreiche Integration der Flüchtlinge als auch den Erhalt der Unterrichtsqualität an den Gym- nasien zu gewährleisten. Die Lehrkräfte an den Gymnasien sind bereit, ihren Beitrag in dieser schwierigen Situation für die Inte- gration dieser Kinder und Jugendlichen zu leisten. November 2015 fotolia.com

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