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ProPhil_15_04

8 4-2015 Schulgespenst Gemeinschaftsschule: Bundestagung der Jungen Philologen in Wernigerode Dinge gibt's, die gibt es gar nicht – in Sachsen. Gemeinschaftsschulen zum Beispiel. Vor Jahren bei uns als Schulversuch geduldet und über diesen Status nie hinausgelangt, verbreitet diese ideolo- gisch geprägte Einheitsschulform in anderen Bun- desländern Schrecken wie kostümierte Kinder an Halloween: Gebt her Eure Süßigkeiten, sonst gibt's Saures! Und das Abitur, einst Alleinstellungsmerk- mal des Gymnasiums, wird nun auch von anderen Nachbarn großzügig verteilt. Mancher gymnasiale Standort in Baden-Württemberg (einst „Muster- ländle“) fürchtet bereits um seine Zukunft, wenn immer mehr Gemeinschaftsschulen öffnen und staatlich besser gefördert werden. Und wie soll man umgehen mit der neuen Konkurrenz? Oder vielleicht ist da ja gar keine Konkurrenz? Und so zogen die Jungen Philologen des DPhV – seit fünf Jahren angeführt vom Sachsen Tho- mas Langer – aus, das Fürchten zu verlernen und stellten auf ihrer Herbsttagung in Wernigerode die Frage, ob es ein Nebeneinander oder sogar Mitein- ander zwischen Gymnasium und Gemeinschafts- schule geben könne oder ob beide Schulformen allzeit unvereinbar gegeneinander stehen werden. Hierfür wurden Vertreter der sachsen-anhaltini- schen Landespolitik und Schulverwaltung sowie die Schulleiterin einer Gemeinschaftsschule be- fragt und in einer angeregten Diskussion heraus- gefordert. Sachsen-Anhalt ist ein Land der schu- lischen Vielfalt und leistet sich neben Gymnasien noch einige Gesamtschulen und seit 2013/14 eben auch 31 Gemeinschaftsschulen. André Schröder, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag, machte klar, dass seine Partei immer für das gegliederte Schulsystem und das Gymnasium inklusive Leistungsprinzip eintre- ten werde. „Nicht eine Schule für alle, sondern die richtige Schule für jeden“ müsse es geben. (Die Gemeinschaftsschule ist demnach als Zugeständ- nis an den sozialdemokratischen Koalitionspartner zu werten.) Für Torsten Klieme, Direktor des Landesschulamts Sachsen-Anhalt, ist das Gymnasium aufgrund seiner hohen Akzeptanz und Nachfrage auch in Zukunft ein fester Teil der Bildungslandschaft. Allerdings sei es längst nicht mehr die exklusive Institution, die Hochschulzugangsberechtigungen verleiht. Für Klieme haben beide Schulformen ihre Existenzbe- rechtigung – und ihre Perspektive. Wahrscheinlich sei es sogar gut, wenn das Gymnasium von der Ge- meinschaftsschule „entlastet“ würde. Dann würde der Zustrom abgeschwächt und das Leistungs- niveau am Gymnasium wieder steigen können. Katrin Jelitte, Schulleiterin aus Aschersleben, be- schrieb zunächst den Weg, den sie mit ihren Kol- legen gegangen ist, um aus einer Sekundarschule eine Gemeinschaftsschule zu machen. Sie wünsch- te sich ein „ehrliches Miteinander“ und meinte damit vor allem die Bereitstellung von Lehrkräften mit Abiturerfahrung. Welches Entgegenkommen die Gemeinschaftsschulen den Gymnasien leisten könnten, blieb unklar. Die Diskutanten gingen friedlich und freundlich auseinander. Den Jungphilologen blieb die Bewer- tung der gewonnenen Erkenntnisse: Ein offen arti- kuliertes Gegeneinander beider Schulformen wur- de schnell verworfen, für ein Miteinander fanden sich durchaus einige Argumente, ein distanziertes Nebeneinander hatte schließlich die meisten An- hänger in der Runde. Vor allem die Oberstufen- ambitionen der Gemeinschaftsschule wurden kritisch reflektiert. Und irgendwie taugte die Ge- meinschaftsschule sachsen-anhaltinischer Prägung nicht so recht zum Feindbild. Sorgen bereitete den Teilnehmern dann eher die Aussicht, dass die zu erwartende Erfolglosigkeit der Alternativen zum Gymnasium den Run auf unsere Schulform weiter verstärken wird – bis es die eigentliche Einheits- schule geworden ist. Ein Prozess, der vielerorts gefühlt bereits stattfindet. Welche Strategie sollten wir Philologen nun ver- folgen? Helfen wird uns wohl nur die Besinnung auf unsere Stärken. Von allen derzeit existierenden Schulformen bereitet das Gymnasium am besten auf Abitur und Studium vor – von Anfang an, kon- tinuierlich und mit dafür qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern. Keine Angst vor Gespenstern! Thomas Langer Juphi-Vorsitzender Thomas Langer (2.v.r.) moderierte die Diskussion mit CDU-Fraktionsvorsitzendem André Schröder, Gemeinschaftsschulleiterin Katrin Jelitte und Landeschulamtschef Torsten Klieme (von links) 84-2015

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