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ProPhil_15_02

192-2015 Gern komme ich der Bitte der Redaktion nach, im Zusam- menhang mit meiner Mitgliedsnummer mit ein paar Zeilen zu den von Ihnen vorgegebenen The- men bzw. Stich- worten Stellung zu nehmen. Allerdings glaube ich nicht, dass es sich bei mir um die Art von Meinungsäußerung handelt, die Sie erwarten oder aber für Ihr Vorhaben verwenden können... Mit meinen Lehrfächern Russisch und Englisch kam ich nach dem Durchlaufen einer spezial-sprachli- chen Ausbildung sowohl an der erweiterten Ober- schule als auch während des Hochschulstudiums als 22-jähriger Absolvent an die EOS „Erich Weinert“ meiner Heimatstadt Plauen/V., dem heutigen Dies- terweg-Gymnasium, und war dort bis 1992 tätig. Diese EOS gehörte mit sechs bis acht Parallelklas- sen zu den 20 größten ihrer Art in der ehemaligen DDR, Klassen mit erweitertem Sprachunterricht in Russisch und Französisch eingeschlossen. Als fast jüngster Kollege leitete ich diese Schule von 1982 an und trat im Januar 1990 aus eigenem Antrieb aus dieser Position zurück. Bis zu den Urgroßvätern zurückverfolgbar aus ei- ner alten Beamten- und Lehrerfamilie stammend war ich (und sicher nicht nur ich) stets ein großer Anhänger der klassischen gymnasialen Bildung, die es so in der DDR leider nicht gab. Die politisch motivierte Reform der Abiturausbildung in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts (nur noch 11. und 12. Klassen an den EOS mit Ausnahme der erweiterten Sprachklassen) führte bei mir wie auch bei vielen KollegInnen aus der beruflichen Praxis einerseits zu Unverständnis bzw. Ablehnung und andererseits zur Stärkung des (heimlichen) Wunsches, ja vielleicht sogar der Sehnsucht nach einem soliden und effizienten Weg zur Hochschul- reife. Eine offizielle pädagogisch-fachliche Diskus- sion über die „neue“ Form der Abiturstufe wurde – außer Zustimmungsbekundungen – von Seiten der Abteilungen Volksbildung der Städte, Kreise und Bezirke konsequent unterdrückt und führte bei Zuwiderhandlung im Sinne freier Meinungs- äußerung in Einzelfällen sogar zu disziplinarischen Strafversetzungen an eine POS. – Ich bekenne freimütig, dass ich mich als junger Familienvater sowie mit Blick auf meine berufliche Karriere, die durch einen glücklichen Zufall direkt an einer EOS begonnen hatte, an dieses „Diskussionsverbot“ hielt, wenngleich ich auch stets sehr zurückhaltend zu den Vorteilen(!) des reformierten Ablaufs der Abiturstufe diskutierte. Im engeren Kollegenkreise wurde dagegen selbst- verständlich auf realistischer Basis kommuniziert und Tacheles geredet... Für die Zeit der politischen Wende in der ehema- ligen DDR, in Plauen/V. konkret ab der Ereignisse um die Protestkundgebung am 07.10.1989, war somit der Keim nicht nur für eine allgemeine Auf- bruchsstimmung gelegt, sondern unter den Kolle- ginnen wie auch Eltern der EOS „Erich Weinert“ Plauen/V. gleichfalls für eine solche im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Form der Abiturstufe bzw. der gymnasialen Ausbildung. Daneben beschleunigten mehrere glückliche Um- stände die relativ rasche Materialisierung des „gymnasialen Gedankenguts“: 1. Kontaktaufnahmen zur Fachoberschule Hof/S. und zum Schiller-Gymnasium Hof/S., denen wei- tere mit gymnasialen Einrichtungen in Baden Württemberg folgten 2. Sehr zeitige Kontaktaufnahme und Zusammen- arbeit mit dem Bayerischen Philologenverband durch meinen guten Kollegen, Nachfolger und langjährigen Direktor des Plauener Diesterweg- Gymnasiums, dem leider früh verstorbenen Päd- agogen Rüdiger Stumm 3. Durch Rüdiger Stumms Auftreten und inhaltlich profiliertes Werben ein hohes Maß an Beteili- gung und Engagement der Plauener EOS-Kolle- ginnen bei Gründung und Aufbau des Philolo- genverbandes Sachsen e.V. in der Region 4. Nach kurzem Intermezzo (Rückbenennung in EOS „Adolph Diesterweg“) bereits im Jahre 1990 (oder 1991?) Etablierung eines Diesterweg-Gym- nasiums Plauen im Vogtland, obwohl dieser Schultyp offiziell wohl noch gar nicht existierte... 5. Möglichkeit der Nutzung vorhandener günstiger räumlicher Bedingungen, wie sie für den Aufbau eines Gymnasiums ab Klassenstufe 5 notwendig waren Der Aufbau und die Entwicklung des Diester- weg-Gymnasiums zu Plauen/V. waren in hohem Maße mit dem Bayerischen Philologenverband und mit der Gründung und Entfaltung des Philologen- verbandes Sachsen e.V. verbunden. Aus dieser Zeit stammt deshalb auch meine eigene, relativ niedri- ge Mitgliedsnummer im PVS e.V. Meine persönlichen gymnasialen Träume sind da- bei leider nie mehr in Erfüllung gegangen... Na- türlich war die Zeit der politischen Wende in der ehemaligen DDR an einer EOS nicht nur von Auf- bruchsstimmung geprägt. Jede Medaille hat zwei Seiten. Und so herrschte natürlich gleichermaßen Existenz- bzw. Zukunftsangst. Bei aller Differen- zierung und Abstufung – Pädagogen einer EOS galten als staatsnah... Aus dieser Situation heraus kam es innerhalb des Kollegiums neben sachlichen Diskussionen gerade in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu vielen unschönen und häufig un- begründeten Vorwürfen, Kritiken, Anschuldigun- gen, Unterstellungen etc. Das führte sicher auch zu Zersplitterung und Schwächung gemeinsamer Kräf- te, die unter anderen Voraussetzungen vielleicht für das Neue noch mehr hätten erreichen können... Ich selbst bin zu keiner Zeit davon ausgegangen, unter den veränderten Rahmenbedingungen als Direktor meiner Schule verbleiben zu können, und deshalb als erster Schuldirektor der Stadt Plauen/V. von meinem Amt aus freien Stücken zurückgetreten. Meine fachlichen und pädagogi- schen Unterrichtsleistungen in den Fremdsprachen waren und sind jedoch – mit Referenzen belegbar – bis heute unangefochten gut und standen auch nie zur Diskussion. Dennoch wurde ich als „staats- naher Funktionsträger“ aus dem Schuldienst in die Arbeitslosigkeit entlassen und quasi mit einer Art Berufsverbot belegt, keineswegs als Einzelfall. – Aus meiner persönlichen Sicht wurden zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dies- bezüglich von der sächsischen Bildungspolitik u. a. im Personalbereich jene falschen Entscheidungen getroffen, deren Auswirkungen für die Qualität von Bildung und Erziehung bis in die heutige Zeit noch spürbar sind. Noch heute bin ich sehr dankbar, dass ich mit Unter- stützung ehemaliger Kolleginnen und vor allem mit der des Sächsischen Philologenverbandes e.V. den sächsischen Schuldienst im Jahre 1992 sozusagen „in Ehren“ verlassen konnte. – Das Angebot eines möglichen Referendariats (nach fast 20 Dienstjah- ren!) an einer bayerischen Schule schien mir – zu- sätzlich unter dem Aspekt meiner Fächerkombinati- on – keine wirkliche Perspektive zu sein... Das Bundesverwaltungsamt Köln/Berlin hatte üb- rigens einen ganz anderen Blick auf meine Ange- legenheit, zumal bei mir keine Verstrickungen mit dem Ministerium für Staatssicherheit vorlagen, und setzte mich recht unaufgeregt als offiziel- le Bundesprogrammlehrkraft an einer Schule in der Tschechischen Republik ein. Mehrere Jahre agierte ich so noch recht erfolgreich als „Gymna- sialprofessor“ für Deutsch (als Fremdsprache) in Südmähren am Staatlichen Gymnasium Uherske Hradiste, gleichzeitig Sprachdiplomschule Deutsch und Schule der UNESCO, und wirkte dort daneben in vielen Bildungsbereichen von der Grundschule mit erweitertem Deutschunterricht über die Berufs- ausbildung mit Abitur bis hin zur Lehrerbildung an der Pädagogischen Hochschule Brno (Brünn) mit. Meine Erfahrungen wurden überall geschätzt. Beruflich bin ich bis jetzt nicht wieder in den Frei- staat Sachsen zurückgekehrt. Neben Tschechien ar- beitete und arbeite ich im privaten bzw. gemeinnüt- zigen Bildungssektor in den Freistaaten Thüringen und Bayern. Seit dem Jahre 2000 bekleide ich in diesem Rahmen gleichermaßen Leitungspositionen. Mitglied des PSV e.V. bin ich aus Verbunden- heit, Interesse, lnformationsbedürfnis und wegen meiner Kinder geblieben. Nach meiner offiziellen Entfernung aus dem Diesterweg-Gymnasium Plau- en/V. schickte ich zur Verwunderung vieler ehe- maliger Kolleginnen meine beiden Töchter trotz Wahlmöglichkeit gerade auf dieses Gymnasium, weil ich zum damaligen Zeitpunkt von der Qualität „meiner“ Schule überzeugt war. Abgesehen von einigen wenigen unfairen Angriffen einzelner Kol- legInnen auf meine Kinder hat es sich insgesamt gezeigt, dass das die richtige Entscheidung war. Mit fast 62 Jahren bin ich mittlerweile etwas müde geworden, zumal mein täglicher einfacher Arbeits- weg 75 km beträgt... Vier Jahre muss ich noch durchhalten – Alternativen bzw. Erleichterungen sind kaum möglich. Sollte ich es schaffen, könn- te ich mir vorstellen, Angebote des PVS e.V. für Senioren wahrzunehmen, um nicht einzurosten... Aber vielleicht sind dafür bei mir gar keine Voraus- setzungen mehr vorhanden. Bei allem Verständnis und vielen richtigen aktuellen Forderungen des PVS e.V. – aus meiner ganz persönlichen Sicht und der meiner Lebenserfahrungen klagen man- che Gymnasiallehrer auf einem ziemlich hohen Niveau... Rainer Grämer Erinnerungen unserer Gründungsmitglieder an die Anfänge

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